KUPFERSTECHERFRAKTUR
Im Gegensatz zur Anglaise findet die Fraktur eher Anwendung auf offizielleren
Schriftstücken, deren Erscheinungsbild nicht allzu lieblich ausfallen
sollte. Für Speisekarten und Liebesbriefe ist sie daher nicht zu empfehlen.
Sie eignet sich hingegen für Urkunden und allerlei Text ernsten Inhalts.
Eine Fraktur im klassischen Sinn wird im allgemeinen mit der Bandzugfeder
geschrieben, doch sieht man hier beim Schreiben mit der Spitzfeder sehr
bald deren Vorzüge. Die barocken Schnörkel können in einem
Zug in Verbindung mit den Lettern gezogen werden und müssen nicht
nachträglich, gekünstelt angebracht werden.
Bei dieser Schrift ist unbedingt darauf zu achten, dass die Buchstaben in ihrem betonten,
statischen Bereich senkrecht, in völliger Gleichmässigkeit geschrieben
werden. Die einzelnen Freiräume innerhalb der Buchstaben dürfen
in ihrer Grösse nicht zu unterschiedlich ausfallen, da sonst ein unruhiges
Schriftbild entsteht. Die Schlaufen ober- und unterhalb der Lettern sollen
kaum betont in einer ausgeglichenen waagrechten S-Form liegen. Auf der
Tafel (Abb.22) sind die Anfangspunkte mittels Pfeilen und der gesamte
Ablauf durch Nummern gekennzeichnet.
Eine saubere Linierung verhindert Unregelmässigkeiten in der Höhe der einzelnen Buchstaben, die
zur angenehmen Gesamterscheinung eines Wortes einer unbedingt gleichmässigen
Erscheinung in Abstand und Schrifthöhe bedürfen.
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Abb.22 (oder kleines Bild anklicken)
Schriftmuster einer Fraktur, die in der Manier der Kupferstecher mit
der Spitzfeder ausgeführt wird. Die Abstriche sind durch Druck auf
die Feder betont.
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A B M N P R U V W Y
sind Versalien, die nach ähnlichem Grundmuster
aufgebaut sind. Der Bogen I wird einem Schneckenhaus gleich von der Hälfte
der Buchstabenhöhe zurückgezogen, wobei der Abstrich betont wird.
Der untere Bogen II gleicht einem liegenden S, wobei der Ansatz der zweiten
S-Kurve in seiner Betonung abgebrochen wird und, unbetont einen Strichbruch
erhält.
E F H I J K L
sind durch ihren in leichter Schräghaltung langgezogenen
S-Strich charakterisiert. Zum Teil erhalten sie am Fuss eine kleine zurückgeworfene
Spirale und sind oben durch ein kleines S abgeschlossen.
D
verhält sich im Grunde wie A ausser dem Abstrich, der in diesem
Fall auf die Grundlinie gezogen wird.
C G O Q T
werden durch ein ganzes oder halbes hochstehendes Oval gebildet.
S
setzt eine Umgewöhnung voraus, es wird sowohl als Gross- wie
als Kleinbuchstabe in einem Zug ausgeführt. Es ist zu beachten, dass
die zweite, in der Schreibrichtung liegende Kurve eine genügende Rundung
erhält, damit das S an selbständiger Statik gewinnt. Die Kleinbuchstaben mit Oberlängen werden immer mit diesen begonnen.
Sollten einmal zwei oder sogar drei aufeinander folgen, so sind sie wie
beim Beispielwort «Zillis» (Abb.22) ineinander
zu schlingen. Bei zwei aufeinanderfolgenden Kleinbuchstaben mit Unterlänge
ist wie bei der Darstellung oberhalb des Wortes «Horw» zu verfahren.
Die Fraktur ist besonders reizvoll in ihrem Schreiberlebnis, da sie über
einen besonders ausgeprägten Rhythmus verfügt, der unverkennbar
an die Barockmusik erinnert und uns auf diese Weise in den Geist dieser
Zeit eindringen lässt.
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Abb.20.2 (oder kleines Bild anklicken)
Weinetikette
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Abb.20.3 (oder kleines Bild anklicken)
Schriftmuster in Kupfer gestochen. Die präzise Strichführung
stammt vom Stichel und ist mit der Feder kaum nachvollziehbar.
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