SCRIPTORIUM AM RHEINSPRUNG BASEL

AKTUELLES


ab 23.11.2007 Ausstellung am Heuberg 24, vom 23.11.07 bis 2.12.07
<<aus dem Index>>
Vernissage Freitag, 23.11.2007 um 18.00 Uhr
vom 05.02.2007 Pressemitteilung: Migros Magazin
A la carte: - Einsatz am Herd: Mit der «Saisonküche» bei Andreas Schenk.


FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, vom 30. APRIL 2006, NR. 17
(60 TECHNIK)

KALLIGRAFIE
Da wird die Seele federleicht

  • von Peter Thomas


  • Europas grösstes Angebot an Schreibfedern hat Andreas Schenk in Basel.
    Mehr als 800 Modelle stehen zur Auswahl.

    Spitzer Stahlglanz, barocke Fomenvielfalt und ein Ruf als Ikone der Industrialisierung: Zeichen- und Schreibfedern aus Metall sind Monumente der Industriegeschichte, mögen sie auch nur wenige Gramm wiegen.

    Mehr als hundert Jahre lang waren sie das Schreibgerät der Wahl für Kassenbuch, Konstruktionsplan und Liebesbrief, für Roman und Schulaufsatz. Diese letzte Textform klingt sogar noch im Schülerspottnamen "Pennäler" nach. Dieser leitet sich nämlich vom Federkasten "Pennal" ab, nicht etwa vom Schulschlaf. Federhalter und Tinienfass sind längst verschwunden vom Pult im Klassensaal, im Büro hat der Computer das Schreiben mit Bandzug- und Spitzfeder abgelöst. Doch Kalligraphen und Künstler schätzen die Stahlfeder weiterhin. Das Arbeiten damit atmet fast ein wenig die Aura klösterlicher Skriptorien, vor allem aber überzeugt das Zeichen- und Schreibgerät noch immer als vielseitiges Werkzeug.

    Wo im besten Füllfederhalter als Schreibspitze eine perfektionierte Primadonna aus Gold mit Iridiumspitze arbeitet, nimmt der klassische Federhalter aus Holz, Horn oder Kunststoff immer wieder andere Sprösslinge einer ganzen Grossfamilie auf: von der nadelspitzen Rörchenfeder bis zur dreistöckigen Ornamentfeder mit erstaunlichem Tintenreservoir. Die biedere Schülerfeder aus der Grosspackung gehört ebenso zum Angebot, wie exzentrisch scheinende Entwürfe mit fünf Spitzen (für Notenlinien) oder einer Strichbreite von anderthalb Zentimeter (für Plakatschriften).

    Die Stahlfeder eroberte um 1830 von England aus die Welt. Schreibgeräte aus Metall hat es zwar schon vorher gegeben. Aber keine Lösung konnte es gegn die Kiele von Vogelfedern (meist von der Gans) durchsetzen, wenn es um das Schreiben mit Tinte und Tusche auf Papier ging. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden jedoch immer mehr Dokumente produziert, und das Angebot an Gänsekielen reichte bald nicht mehr aus. So verlangten öffentliche Verwaltungen, Industrie und Handel ebenso wie die zunehmende Zahl von Schülern nach einer preisgünstigen, robusten Alternative zum Gänsekiel. In den folgenden Jahrzehnten enstanden neue Formen für bestimmte Schriftarten sowie Schmuckvarianten: Wer wollte, konnte in Deutschland mit einem Porträt Kaiser Willhelms unterschreiben, in Amerika war da eher George Washington gefragt.

    Der bekannteste deutsche Hersteller Brause hat erst im letzten Jahr eine neue Feder für Druckschrift präsentiert, die mit einer stillisierten Rose verziert ist. Wer vor 50 Jahren zur Schule ging, der kennt noch den alten Werbespruch "Die beste Feder mein Sohn, ist die Brause Iserlohn". Brause (www.brause-kalligraphie.de, Telefon 023 71/ 7 97 20) hat heute rund 40 verschiedene Schreib- und Zeichenfedern im Programm. Das 1850 als Nadelfabrik gegründete Unternehmen stellt seit 1895 Schreibfedern her. Mehr als 400 Federtypen sind seitdem bei Brause entworfen worden. Zwischen 50 Cent und 1 Euro kosten gängige Modelle.

    Bei Brause entstehen Schreib- und Zeichenfedern heute noch nach der Tradition von 1895: Kalt gewalzter Stahl wird getrieben und mit dem Logo versehen. Dann stanzt eine Tiefziehpresse Rohlinge aus dem flachen Metall. Im Ofen werden die Werkstücke durch Wärme plastisch gemacht und anschliessend in HAndarbeit gewölbt. Die Rohlinge, die den fertigen Feder nun schon sehr ähnlich sehen, werden noch gehärtet, gereinigt und getrocknet. Besonders diffizil ist der nächste Produktionsschritt: Nun wird die Feder durch das Stanzen eines Schlitzes in der Mitte gespalten. Dieser Schlitz sichert einerseits den kontinuierlichen Tintenfluss, macht aber bei Spitzfedern auch die Veränderung der Strichbreite möglich. Federn mit einer gleichmässigen Strichbreite erhalten beim Spalten dagegen ein runde Schreibkorn an der Spitze. Zuletzt gilt es, die Federn zu schleifen und zu veredeln. Im Ofen erhält der Stahl dabei sein volle Elastizität zurück, ausserdem wird das Metall gebläut, vernickelt oder vergoldet und schliesslich lackert. Insgesamt, so erläutert Brause-Sprecher Georg Chambenois, sind vom Stahl zur fertigen Feder zwölf Arbeitsschritte nötig. Noch ist die Feder jetzt aber noch nicht fertig für den Einsatz, denn die Spitze muss noch eingeschrieben werden.

    Die gängigen Federformen gibt es zusammen mit Federhaltern und Tinte oder Tusche im Schreibwarenhandel. Die Erstausstattung mit zwölf Federn, zwei Federhaltern, blauer Tinte und etwas Papier kostet rund 20 Euro. Viele Sammler und Kalligraphen steigen jedoch viel tiefer in dei Welt der Federn ein. Ein entsprechendes Sortiment bieten spezialisierte Anbieter wie Matthias Gröschke mit seinem Online-Shop (www.kallipos.de), in dem gängige Klassiker neben seltenen Federn angeboten werden - als einzelne Exemplare und im Sortiment. Europas wohl grösstes Angebot an Schreibfedern bietet jedoch Andreas Schenk in seinem Basler "Scriptorium am Rheinsprung" mit rund 800 verschiedenen Modellen an. Mehrere hundert dieser Federn verkauft Schenk auch über das Internet (www.kalligraphie.ch). 30 Jahre hat er gebraucht, um dieses Angebot aufzubauen, erzählt der Kalligraph aus der Schweiz.


    GEWUSST WIE

    Die Technik der Schreibspitzen

    1. Banzugfedern haben eine breite, gerade Schreibkante. Sie eignet sich besonders für Schriften mit Wechselzügen, bei denen sich die Strichstärke von horizontalen und vertikalen Elementen wechselt.

    2. Spitzfedern gibt es in verschiedenen Formen. Typisch bei dieser Form ist die Veränderung der Strichstärke durch den Druck auf das Papier: Je stärker die Feder belastet wird, desto weiter spreitzt sich die Spitze, der Strich wird stärker. Eingesetzt wird die Spitzfeder zum Beispiel für englische Schriften.

    3. Schnurzug-, Redis- oder Ornamentfedern besitzen ein Schreibkorn oder eine Platte in ihrer Spitze. Diese Feder ergiebt gleichmässige Strichstärken. Wie auch Bandzugfedern sind Schnurzugfedern oft mit Aufsätzen versehen, die als Tintenreservoir dienen.

    4. Zu den Sonderformen zählen Federn für die Kursivschrift, für mehrere Striche mit einem Federzug, für besonders grosse Strichstärken (Plakatfedern) sowie für hebräische und arabische Schrift (Hatatfedern). pts.

    http://www.kalligraphie.ch/